Berlinale-Rückblick

So, die 56.Berlinale ist jetzt auch wieder vorbei, und ich habe mein Pensum nochmal gesteigert gegenüber letztem Jahr. Auf die Wettbewerbs-Beiträge habe ich mit einer Ausnahme verzichtet, man steht ja auch so schon lange genug an für Karten, und im Übrigen kann man davon ausgehen, dass die eh alle in absehbarer Zeit ins Kino kommen. Hier also mein persönlicher Rückblick, und nach einigen Filmen lohnt es sich echt, Ausschau zu halten:
Los ging es mit Close to Home, einem israelischen Film über zwei junge Frauen, die ihren Wehrdienst ableisten und dabei gemeinsam auf Patrouille durch Jerusalem gehen müssen. Die beiden sind ziemlich gegensätzliche Charaktere und der Film handelt von ihrer Beziehung zueinander, ohne dass dabei der Hintergrund, der Nahostkonflikt, zu kurz kommt. Ein sehr sympathischer persönlicher und zugleich politischer Film. In John & Jane, einer indischen Produktion, geht es um mehrere Mitarbeiter eines Call Centers in Bombay/Mumbai, die dort in erster Linie für westliche Firmen und westliche Kunden arbeiten. Der Film ist dokumentarisch, aber filmisch so gut und stimmig gemacht, dass man nicht merkt, ob manche Szenen nicht vielleicht doch (nach)gespielt sind. Auch die Musik, u.a. von den Elektronik-Produzenten Thomas Brinkmann und Metamatics, trägt dazu bei, dass John & Jane für mich eins der Highlights der Berlinale war.
Am darauffolgenden Tag ließ ich es etwas ruhiger angehen, und sah mir nur den 50-minütigen italienischen Dokumentarfilm Inatteso an, der vom Schicksal afrikanischer Bootsflüchtlinge in Italien handelt. Der Film zeigt v.a. den Alltag der Flüchtlinge in provisorischen, halb-legalen Unterkünften irgendwo in Italien und kommt dabei ohne Kommentar und mit nur wenigen Interviews aus. Vom Thema her war Inatteso sicherlich sehenswert, vom Filmischen her fand ich ihn etwas spröde und auch die exemplarische Darstellung dreier Flüchtlingsschicksale mit Hilfe einer Art Theaterszene vor historischer römischer Kulisse wirkte etwas bemüht.
The Peter Pan Formula ist ein koreanischer Spielfilm über einen 16jährigen, dessen alleinerziehende Mutter einen Selbstmordversuch unternimmt und danach ins Wachkoma fällt. Der Junge muss nun für seine Mutter sorgen, ist allein zu Hause und verliebt sich in eine verheiratete Nachbarin. Was sich erstmal nicht uninteressant anhört, entwickelt sich mehr und mehr zu einem etwas mit Symbolen überfrachteten Film, was sich schließlich auch daran zeigte, dass der anwesende Regisseur sich nach der Vorführung erstmal genötigt sah, das Ende des Films ausführlich zu erklären.
Am nächsten Tag war ich wieder deutlich zufriedener. Zunächst sah ich In Between Days, einen ruhigen amerikanisch-koreanischen Film über ein koreanisches Mädchen, dass mit ihrer Mutter nach Kanada ausgewandert ist. Dort hat sie einen guten Freund, in den sie sich verliebt, was sie sich aber nicht auszusprechen getraut. Der Film spielt vor winterlicher Kulisse in Toronto, Stimmungen und Gefühle sind der Regisseurin fast noch wichtiger als Handlung, was einen wie gesagt sehr ruhigen, aber doch symapthischen Film ergibt, obwohl ich mir nicht sicher bin, ob er wirklich den Kritikerpreis für den besten Forum-Film verdient hat.
Am Abend gab es dann We Can't Go Home Again, einen japanischen Film, der in Tokyo spielt und den teilweise recht ungewöhnlichen Alltag von fünf jungen Leuten zeigt. Teilweise wurde hier auch improvisiert, die Story-Ideen kamen teils von den Darstellern selber, herausgekommen ist ein sehr schöner, episodenhafter Film über das Großstadtleben und die Vielfalt zwischenmenschlicher Beziehungen darin. Auch der Regisseur und die fünf Hauptdarsteller, die nach dem Film alle noch bei der Fragerunde anwesend waren, machten einen sympathischen Eindruck.
Am Mittwoch sah ich meinen einzigen Wettbewerbsfilm im Berlinale-Palast, mit rotem Teppich, Stars und allem. Es lief die australische Produktion Candy mit Heath Ledger, der ja als ein Oscar-Favorit für seine Rolle in Brokeback Mountain gilt. Hier spielt er an der Seite von Abbie Cornish, die beiden sind im Film ein junges Paar, das in die Drogensucht abgleitet. Kein neues Thema, aber gelungen umgesetzt mit überzeugenden schauspielerischen Leistungen.
Die größte Enttäuschung war mit Sicherheit der neue Film von Takashi Miike, Big Bang Love, Juvenile A. Natürlich ist man von Miike Abgedrehtes gewohnt, aber bei dieser sehr stilisierten Produktion über junge Straftäter in einem Gefängnis, in dem es zu einem Todesfall kommt, stimmt nur sehr wenig. Der Film verlässt sich viel zu sehr auf die Bildsprache, gleitet teilweise in fast schon esoterische Passagen ab, wohingegen der 'Whodunnit'-Teil, die Krimihandlung, viel zu wenig stringent umgesetzt ist. Nichts gegen ungewöhnliche, experimentelle Ansätze, aber das war mal gar nix.
Die Berlinale endete für mich am Sonntag natürlich mit Fußball. Der in der 'Perspektive Deutsches Kino' gezeigte Dokumentarfilm Warum Halb Vier? von Lars Pape zeigt auf überzeugende Weise, was es heißt, Fußballfan zu sein. Es wirken darin sowohl prominente als auch nicht-prominente Fans von verschiedenen deutschen Vereinen mit, auch diverse Fußball-Profis und Manager kommen zu Wort. Was den Film sympathisch macht, sind vor allem seine witzigen und melancholischen Momente. Also ein echt netter Berlinale-Ausklang. der auch gleich wieder Lust auf den nächsten Spieltag macht.

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