Armes Italien

Ich hab die Meckereien in Deutschland über die teilweise erfolglosen Auftritte deutscher Vereine auf europäischer Ebene und, was noch viel absurder ist, den angeblich schlechten Zustand des hiesigen Vereinsfußballs, noch nie verstanden. Gegenüber Italien leben wir fußballerisch in einem Schlaraffenland. Volle Stadien und zumindest in den Bundesligen vergleichsweise friedliche und (nach Hoyzer scheinbar wieder) saubere Spiele. Dass in Italien einige wenige Spitzenvereine mehr Fernsehgelder kriegen als die deutschen Klubs - geschenkt.

Was sich zur Zeit in und um italienische Fußballstadien abspielt (mal ganz abgesehen vom Korruptionsskandal), kann einen als Fußballfan nur fassungslos und traurig machen. Nachdem letzte Woche ein Funktionär eines unterklassigen Vereins zu Tode geprügelt wurde, ist gestern abend am Rande des Serie A-Spiels zwischen Catania und Palermo ein Polizist durch eine 'Papierbombe' ums Leben gekommen, die Hooligans (und ich schreibe absichtlich nicht "Tifosi") in sein Auto geworfen hatten. Sowohl in als auch vor dem Stadion gab es schwere Ausschreitungen, das Spiel wurde für 35 Minuten unterbrochen, allerdings nicht abgebrochen, insgesamt gab es 150 Verletzte.
Nach dem Tod des Polizisten hat der momentane Leiter des italienischen Fußballverbands, Luca Pancalli, alle Spiele der Profiligen auf unbestimmte Zeit gestoppt. Es könnte gut sein, dass nicht nur dieses Wochenende, sondern auch längerfristig alle Spiele abgesagt werden; das Gewaltproblem scheint einfach nicht in den Griff zu bekommen sein. Am Montag wird es einen "Runden Tisch" mit dem Innenminister, der Sportministerin und auch Regierungschef Prodi geben.

Man muss sich das mal klarmachen: In Italien stirbt am zweiten Wochenende hintereinander ein Mensch durch Gewalt beim Fußball; die Gewaltexzesse könnten den Ligabetrieb langfristig zum Erliegen bringen, der Präsident der Spielergewerkschaft fordert einen Spielstopp für ein Jahr, Innenminister Amato will unter den momentanen Umständen keine Polizisten mehr in die Stadien schicken, was den Spielbetrieb natürlich auch verhindern würde.
Die deutsche Liga ist angesichts dieser Zustände zusammen mit der Primera Division und der Premier League die Topliga in Europa. Wir sollten uns über die schönen Seiten der Bundesliga freuen und nicht glauben, wir müssten immer in Europa dominieren.
(Quelle: KICKER)
kurtspaeter - 3. Feb, 16:49

Natürlich sind die Zustände in Italien verabscheungswürdig ohne Ende.

Aber kann man diese Tatsache und die sportliche Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit der Bundesliga mit dem europäischen Ausland miteinander vergleichen und sagen, wir sollten uns über die schönen Seiten freuen und nicht Europa dominieren wollen?

Ich glaube, daß die Stadien in Deutschland voller sind als in England, Spanien und vorallem Italien, das wird durchaus wahrgenommen und erfreut jeden Einzelnen (Schatzmeister). Trotzdem darf man aber als Fußballfan eine Verbesserung der internationalen Leistungen einfordern. Denn die Liga hat ein Selbstverständnis das gerade dies immer wieder einfordert bzw betont. "Wir sind eine Topliga."
Volle Stadien alleine machen eine Sportart nicht aus, es handelt sich primär immer noch um sportlichen Wettstreit. Und da ist die Bundesliga im Moment auf deutsch gesagt Scheisse davor.

Ganz davon abgesehen, wir haben in Deutschland bislang keine Todesopfer, aber vor nicht allzulanger Zeit die Debatte gehabt, das ab Regionalliga abwärts nicht viel zu solchen Übergriffen wie in Italien fehlt. Daher Vorsicht an alle die, die mit dem Finger auf Italien zeigen und sagen, wir habens ach so schön.

Nick Sweetdrums - 3. Feb, 18:00

Du hast schon Recht, was die unteren deutschen Ligen angeht. Wir leben auf keinen Fall auf einer Insel der Seligen. Die Häufung von gewalttätigen Vorfällen in Italien ist aber schon gravierend, und das seit Jahren.

Was die sportliche Qualität der Bundesliga angeht, kann ich keine strukturellen Nachteile gegenüber den Ländern erkennen, die beim UEFA-Koeffizienten vor uns liegen - mit Ausnahme von Spanien und England aufgrund der dort ausgeschütteten Fernsehgelder. Insofern glaube ich, dass die momentane Schwäche in internationalen Wettbewerben auch nur eine Phase ist, wie es sie schon zuvor bei verschiedenen Ländern gab. Bei vielen der Pleiten der letzten Jahre dürften Auslosungspech, Tagesform oder fehlende Einstellung eine große Rolle gespielt haben.

Deswegen würde ich für mehr Gelassenheit und weniger Aktionismus plädieren. Die Jugendarbeit zu verbessern ist sicher richtig, wurde ja auch schon angepackt. Über eine 'Ausländerquote' kann man vielleicht auf europäischer Ebene diskutieren, ich glaube aber nicht, dass das sportlich viel verändern würde. Auch die europäischen Spitzenvereine haben in der Mehrzahl weniger einheimische als ausländische Spieler in ihren Reihen. Die überall kritisierte "Söldnermentalität" mancher Spieler gibt es mit Sicherheit - imho allerdings genauso bei deutschen Spielern.
Am ehesten verbesserungwürdig erscheint mir die Trainerausbildung. Da fallen mir spontan recht wenig junge Hoffnungsträger ein...

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