Fußball und Politik - der Fall Dejagah

Bisher habe ich mich hier äußerst selten politisch geäußert - nicht weil mich Politik nicht interessieren würde, im Gegenteil, sondern einfach weil ich denke, dass sie im Sport nichts zu suchen hat. Sport als unpolitische Völkerverständigung ist natürlich eine idealisierte Vorstellung, schließlich leben auch Sportler in politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Trotzdem finde ich die 'Politik des Unpolitischen', wie sie auch die meisten Fußballverbände betreiben, richtig - das heißt natürlich nicht, dass nicht gegen Rassismus und andere Formen der Diskriminierung im Stadion vorgegangen werden sollte. Das Leitmotiv muss imho immer keine Toleranz der Intoleranz lauten, da kann auch der Sport nicht außen vor bleiben.

Und deshalb muss ich mich zum FALL DEJAGAH äußern. Ashkan Dejagah, 21, seit dieser Saison beim VFL Wolfsburg tätig, zuvor Herthaner, hat seine Teilnahme am Länderspiel der
U 21-Nationalmannschaft in Israel abgesagt - der deutschen wohlgemerkt, schließlich hat der in Teheran geborene und in Berlin aufgewachsene Dejagah die doppelte Staatsbürgerschaft und sich für den deutschen Fußball entschieden.
Iranischen Sportlern und Mannschaften ist es von der dortigen Regierung verboten, sich im sportlichen Wettkampf mit Israelis zu messen. Ohne genauer darauf einzugehen, gibt auch Dejagah politische Gründe an. Zudem führt er sein familiäres Umfeld als Begründung an. Was er nicht sagt, ist, ob er von dort Druck bekommt oder sich vielleicht um Verwandte im Iran sorgt.

Aber trotz aller möglichen Entschuldigungen: Dejagah spielt für eine deutsche Nationalmannschaft und für einen deutschen Nationalspieler kann es nie und nimmer akzeptabel sein, aus anderen als sportlichen oder gesundheitlichen Gründen ein Spiel gegen Israel zu verweigern. Niemand sagt, dass Dejagah keine politische Meinung haben darf - obwohl ich sie ehrlich gesagt lieber nicht hören will. Aber wer aus Intoleranz gegenüber israelischen Sportlern oder auch nur aus der Verpflichtung gegenüber einem intoleranten, autoritären Regime sich selbst von der Nationalmannschaft auslädt, hat für mich keine Zukunft als Nationalspieler mehr.

Die Reaktionen der Verantwortlichen schwanken dagegen zwischen Verständnis und Akzeptanz: Während U 21-Nationaltrainer Dieter Eilts und DFB-Sportdirektor Matthias Sammer die Entscheidung Dejagahs bzw. zumindest seine Begründung kommentarlos akzeptiert haben - wohl auch, weil der Spieler um Diskretion bat - hat zumindest DFB-Präsident Zwanziger seinen Unmut geäußert. Aber was soll man bitte von einer solchen Aussage halten:

Ich habe die Entscheidung des Trainers Dieter Eilts respektiert, weil er mir vermitteln konnte, dass der Spieler Gründe angeführt hat, die im privaten Bereich liegen, aber wir werden nicht hinnehmen, dass ein deutscher Nationalspieler aus Gründen der Weltanschauung seine Teilnahme an einem Länderspiel absagt.

Was denn nun? Gibt es ein Nachspiel oder nicht? Kann man die Entscheidung des Trainers respektieren, aber trotzdem Konsequenzen ziehen? Zu hoffen wärs!

UPDATE: Jetzt habe ich mir gerade nochmal den Satz von Theo Zwanziger durchgelesen und vielleicht ist er ja so gemeint, dass in diesem Fall die privaten Gründe akzeptiert werden, aber rein weltanschauliche würden es nicht. Wenigstens verstehe ichs jetzt, akzeptieren kann ich die Haltung eher nicht, weil es für mich eine Grundsatzfrage ist. Der DFB sollte lieber seinen (auch medialen) Einfluss geltend machen, um dafür zu sorgen, dass eine Gefährdung von Dejagahs Verwandten, sollte es sie denn geben, minimiert wird.
steckschuss - 9. Okt, 13:02

Ob der Arm des DFB bis nach Teheran reicht, wage ich mal zu bezweifeln.
Aber Konsequenzen müssen gezogen werden - so ungern ich der BLÖD und dem Zentralrat der Juden in diesem Fall zustimme.

Nick Sweetdrums - 10. Okt, 01:17

Ich denke schon, dass der DFB, oder sagen wir einfach der Fußball, so viel mediale Aufmerksamkeit erzeugen kann, auch international, dass es sich die iranische Führung zweimal überlegen würde ob sie Repressalien gegen Dejagahs Familie anwendet.
Gerade die Beziehungen zu Deutschland sind den Iranern aus wirtschaftlichen Gründen nicht völlig egal und wenn ein deutscher Nationalspieler oder seine Familie wegen der Teilnahme an einem Fußballspiel irgendwelche Nachteile erleiden würden, wäre das schon verdammt schlechte Publicity. Ich denke, dass Dejagah als Fußballspieler da in einer recht geschützten Situation ist - im Gegensatz zu vielen namenlosen Regimegegnern, die nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen (wobei bisher auch noch nicht klar ist, ob Dejagah die Vorschriften der iranischen Führung überhaupt missbilligt).

Ansonsten kann ich es nicht nachvollziehen, dass du die B++d und den Zentralrat der Juden quasi auf eine Stufe stellst, aber das müssen wir hier nicht ausdiskutieren.

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sprechblasenblog - 12. Okt, 10:00

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